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Zeit der ersten Sonne
Geboren auf den alten Schiffen aus den verlorenen Tiefen kannten wir um uns nur weites Meer, das immerzornig gegen die Flanken schlug, den kalten Wind, der unaufhörlich an unserer Haut zerrte, über uns nur finstere Wolkendecke, die immergrollend mit ihren Blitzen schlug. Doch fern der wankenden Welt erhob sich uns späten Kindern der Schiffsbauer der Horizont, ein grauer Baum aus den schwarzen Untiefen in die flackernden Unhöhen, sich räkelnd, langsam und gemächlich, weise und bedächtig, träumend und noch nicht erwacht. Hier war der alten Riesin ein Licht erstrahlt, ein Herz in roter Glut, das unsere Schiffe rief aus allen Meeren. Es wuchs nicht nur, da wir ihm näher kamen, brannte sich seinen Weg hinauf durch Stamm und Rinde, und entzündete die Krone. Laut schrie sie auf, als der Feuervogel sich erhob, brannte hernieder und ließ im großen Feuer Fels und Asche regnen über das hungrig Meer. Trost schenkten unserer Schiffe Bannsängerinnen dem sterbend Kind, als ihr Gesang es zurück in den Schlaf wiegte. Aus der niedergehenden Asche entstieg zögerlich das karge Land, in dessen Fels sich die Spiegel aus schwarzem Glas befanden. Als der graue Regen lag und der Bernsteinvogel durch den dunklen Schleier auf das Land blickte, wuchsen aus des Baumes Asche zahllos seine Kinder, tausendäugig und von dunkler Rinde, die Schwarzeiben, und blickten zurück.

~ Die erste Reise, Norn
Sternenkleid
·Schwarze Federn kleideten den alten Wanderer, der den Vater bezwang. Gesehen ward er auf Rabenbein stolzierend, mit acht Augen über schwarzem Schnabel blickend, und mit Vogelkrallen an sechs Armen auflesend, als er aus der falschen Höhle schritt und alle blickend Vögel aufschraken. Nicht Rabe noch Weberin verschmähten ihn seine Väter, sodass wir Schwestern ihn lehrten. Doch wob er mit unserer Kunst das Schicksal des Vogelvaters, spielte auf der großen Harfe die Echos der sterbenden Baummutter und zwang ihn in den Schlaf. Hier zerriss er den Himmelsvogel, aus seinen Federn das Sternenkleid über die Geisterpfade zu weben. Das Phoenixei aber trug er durch Geisterpforten ins Land der Schlangen im großen Meer. So ward aus dem Geist ein Gott, und schwarze Vögel kamen vom schlafenden Wald herab, um von seinem Werk zu berichten, und brachten die Saat der alten Bäume hinab ins Schlangenland.·

~ Schicksalsaugen, Erl
Traumwald
"Endlos erstreckte sich der lauernde Wald, gebrochen nur von hohem Fels und schwarzen Tümpeln. Von den steinernen Anhöhen aus zürnten stolze Greifen, in den Wurzeln wachten geduldige Weberinnen, aus dem Geäst blickten wissbegierige Aschevögel, alte Raben, und immer, wenn die Tümpel ruhten, lauerten hungrige Najaden. Doch wenn die tausendäugig Bäume schliefen, wanderten durch den lauernd Wald wir Dryaden auf unserer Erinnerung entnommen alten Pfaden, welche unsere Mutter, die wir nie sahen, uns mit ihren Wurzeln dereinst zog."

~ Geisterpfade, Ur
Wurzelwelt
"Seit dem Tag, an dem die lange Nacht began, brannte am Ende jedes unserer alten Pfade ein kaltes Feuer in den finstren Tümpeln, am Anfang aller Pfade aber der große Sternenriss, an dem die Mutter stand. So trugen auch wir auf unseren Wanderungen unser Licht zum Gestirn. Hier aber fanden wir im Wasser das tote Land, tief unter dem endlosen Wald, und in den Sternen die Pforten dorthin. Und dort sahen wir, dass ihre Wurzeln einst nicht im alten Wald endeten, sondern von deren Gipfeln und hohen Hügeln aus auch die zweite Welt durchzogen."

~ Himmelspforten, Ur
Zeit der zweiten Sonne
Bebend erbrannte das starre Land, als das Ei barst und die gläserne Erde sich zu Fluten ergoss. Die schlafenden Schlangen, einst Najaden geboren, krochen abermals durch den Schlamm, einander und Meereswesen zu verschlingen. Auch erwachte die schlafende Saat und überzog das Land mit Pflanzenwuchs, welcher Nahrung bot für Vögel des Himmels und den gehörnten Herden, die einst von unseren Schiffen den Najaden geopfert im Land der Schlangen überdauerten. All dies gedeihte unter den Schwingen des Bernsteinvogels, der abermals die Nacht entzündete und mit seinem Flug den Tag bringen sollte. Doch weckte des Vogels Schrei auch den Traumwald zwischen den Sternen, der hungrig blickte auf die Welt darunter. So stürzten die Greifen vom Himmelswald herab, ihn nie wieder zu betreten. Auch unsere Schiffe sanken auf die Welt hernieder, sie zu bevölkern mit unserart. Einzig das Schiff der Jägerin, dem sich stets alle Meere beugten, verblieb die Walde zu bereisen Tag und Nacht.

~ Das alte Land, Norn
Tiefenlicht
·Drei Städte auf ihren Reisen spenden Licht dem endlosen Schlund. Die älteste ist das Schiff der Jägerin, dem sich alle Meere beugen. Die zweite ist das hohe Licht, zu dem alle Geisterpfade führen, an dem die träumende Königin ruht. Die dritte bereist auf dem Rücken des Bernsteinvogels die Welt, so nah an seinem Feuerkleid umhüllt von gerötetem Licht. Und von beiden Seiten der trügerischen Wellen leuchten sie herab in die Tiefenwelt. Hierhin ziehen junge Miragen aus den Spiegeln, um dort in den Herzen Fremder zu erwachsen und mit ihnen in den Wald zurückzukehren. Hierhin stürzen Phantasmen aus dem Geäst, um die Geister Träumender in den Wald zu entführen und ihre Herkunft vergessen zu machen. Und hier wandern die Miasmen, ihren Schwermut über die dort Lebenden zu legen, und das Ende ihrer Pfade zu erkunden.·

~ Die gelogene Welt, Erl






 .: Mystik
Bearbeitet am 28.11.2017, 13:21
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Seelengeißel

Die weiße Jägerin, die erste Königin

Geboren den lichtlosen Stürmen des währenden Immerwinters entfloh sie, die von der Urgewalt geformt ward, einst der ewigen Allnacht und verließ die Eiswüsten im Norden. In den Mondbergen gebar sie weitere ihresgleichen und begründete das erste Albenvolk der Eisgeborenen, die keinen Vater hatten. Als erste Königin lehrte sie diese alles, was es zu wissen galt, und verließ hiernach die Stämme, damit die nächste Königin den Eisspeer ergreifen und an ihre Stelle treten konnte, womit für die Winteralben das Zeitalter des Erwachens ein Ende fand. Einmal mehr zog die weiße Jägerin schließlich in die Eiswüsten hinaus, um dort die großen Winterdrachen zu bezwingen und der Allnacht und dem Immerwinter Einhalt zu gebieten. Zuletzt wob sie mit der Mondpforte in die Geisterwelt einen mächtigen Bann, sodass die Seelen aller Lebenden in das Licht einfahren konnten und niemand mehr in Finsternis wandeln musste, und auch die Meere beugten sich dem Erdenmond. So ward aus ihr eine Gottheit und die Jagdgötter heulten auf und gelobten ihr in jener Nacht, in der der Vollmond zum ersten mal vollends aufgegangen war, die Treue. Mit den Jagdgottheiten vertrieb sie schließlich Dämonen hinab in die Schattenwelt und noch immer währt ihre ewige Jagd.

Im großen Krieg jagte sie selbst die Eiskönigin, die alpischen Blutes ihr einst Diener war. Als dann jedoch die Aschekönigin, welche die Drachen im Norden gegen die Vallande führte, ihren Frevel began, kehrte die Jägerin zurück, um jene letzte Königin samt ihrer Gefolgschaft zu verbannen und auch ihr Volk der Winteralben zu strafen, die mit der Totenbeschwörung doch die Finsternis in die Welt zurückgebracht hatten. Erzürnt über diese Wendung des Krieges stellte sich ihr der letzte Hochkönig der Schwarzalben entgegen, und so kämpfte der Zwerg mit der Thursentochter, bis er selbst ein Auge verlor und in den Abgrund stürzte. Noch immer haben ihr die Zwerge diese Tat nicht verziehen.

Der Menschenkönig Grim war es, der hiernach den Zorn der Seelengeißel auf sich ziehen sollte, denn in seinem Reich vergaß man um die Gebote der alten Götter, erhob sich über die Tierwelt und die Natur und begann mit der Zucht und dem Ackerbau. So strafte die Göttin sein Volk und ein jeder, der das göttliche Blut der Jägerin in sich trug, erfuhr den Wolfsfluch und der einstige König selbst wurde zum Grimvater, einer gewaltigen Bestie. Das große Reich fiel hernieder, die übrigen Menschen vertrieben die Ulf und Grim aus ihren Siedlungen und ein großer Krieg und Brudermord entbrannten, als sie alle übereinander herfielen. Die Wolfsstämme haben sich inzwischen in alle Winde verstreut und fürchten den Tod, nach welchem sie von der Jägerin und den Jagdgottheiten gejagt und in die Schattenwelt verdammt werden, während die meisten Grimländer den alten Göttern und auch den Aristokraten abschworen, ihre eigene Herkunft und den Namen der Mondgöttin verleugneten und vielerorts gar Hexerei verfolgten. Einzig der Grimvater, den dieser Fluch als ersten traf, erwacht jedes mal zu Vollmond erneut auf unserer Welt, um jedes mal erneut von der weißen Jägerin gehetzt und getötet zu werden, worauf er erneut zu den Schatten einfährt. So fürchtet er stets die weiße Göttin, die ihn bald schon seiner Freiheit berauben und in die grausame Finsternis verdammen wird, aus welcher er kein Entrinnen kennt.

Zum Ende des zweiten Zeitalters bezwang sie die Eiskönigin und beendete den langen Winter, mit dem die Allnacht die Welt zu verschlucken drohte, als die drei Albenreiche im großen Krieg fielen. In großem Zorn kam die Mondgöttin nun über ihre Feinde und ließ dem langen Winter die große Sinflut folgen, in welcher auch die Mondlande der Winteralben und die Grimlande im Süden untergingen. Königreiche und manche Götter gingen damals im Krieg und in den Fluten verloren und noch immer gilt sie als Wintergottheit, deren Strenge die alten und abermals wilden Lande zeichnet.

Die Seelengeißel ist eine weißhäutige Jägerin, wie nur der Immerwinter sie hervorbringen konnte. Oftmals wirkt ihr Körper, als wäre er bereits vor Äonen erforen. Über ihre Schultern fällt der beinahe drei Meter hohen Hünin ein dichter weißer Pelz, ansonsten trägt sie meist verschnürte, ebenso helle Gewandung. Das wilde, bleiche Haar reicht in wenigen geflochtenen Strähnen bis zur letzten Rippe hinunter, endet aber mit den meisten schon in Höhe der ersten. An ihrem Hals trägt sie eine Kette mit den Zähnen von Drachen und großen Wölfen, die auch ihre Ohren, ihr Haar und an Arm- und Fußbändern ihren Körper schmücken.

Unter ihrer hohen Stirn erscheint ihr Gesicht vor allem durch die Züge an den Brauen und Wangen kräftig und unnachgiebig. Auch lassen sich die Züge der Alben daran ablesen. Hinter den blassen Lippen jedoch werden zumeist Reißzähne vermutet, denn auch die Augen der Jägerin sind von einem geisterhaften Leuchten erfüllt und Schwaden eisigen Dunstes im Lichte des Mondes entströmen ihnen zu den Seiten. Zum Geistermonde weiß, zum Blutmonde rot gefärbt, zu Neumond und Mondfinsternis jedoch erlischen ihre Augen und werden dunkel und blind. Und wo nicht Bänder und Zähne ihr zum Schmuck gereichen, zeigt sich dunkel glänzendes rot an der so bleichen Gestalt. Blutmalerei umrahmt zu beiden Seiten die Augen und führt dann von der Nase fort am Gesicht herab. Auch um einen Oberarm herum und sonst überall auf der Haut können diese roten Malereien vernommen werden. Doch vor allem ihre Krallen, Finger, Hände und von dort hoch an ihren Unterarmen entlang ist die Haut tief eingefärbt, denn hiermit reißt sie erlegtes Wild. In ihrer Hand trägt sie einen dunklen, schweren Speer, an dessen Spitze in manchen Darstellungen ein Feindeskopf oder der eines großen Wolfes aufgespießt ist.

Der Jagd- und Wintergottheit sind oft die wandernden Jägerstämme in den hohen Gebirgen und weiten Tundren verschworen. Weiterhin zählt sie als Göttin des Blutes und der darin enthaltenen Kraft, wodurch sie von Kriegern, Hünen und Berserkern verehrt wird, in vielen Stämmen aber auch als Göttin der Blutbande innerhalb ihrer Sippe gilt. Durch ihr göttliches Blut in den Herzen einiger Menschen und jenen der Wintertauren ist sie auch die Herrin des Heroenkultes. So gelten die gebürtigen Heroen als heldenhafte Halbgötter, deren Taten oft besungen werden, und sind in vielen Stämmen willkommene Gäste. Zuletzt gilt sie als Mond- und Totenherrin in vielen Stämmen auch als Göttin, die in Todesfällen angerufen wird die Seelen der Verstorbenen ins Geisterlicht zu führen.

Einst begründete sie das Volk der Winteralben und verstieß es, als die Aschekönigin ihren Frevel began. Dennoch gilt sie den meisten dieses Volkes noch als Hauptgottheit, deren Gunst über ihr Volk es zurückzuerlangen gilt. Den meisten Zwergen hingegen ist sie verhasst, wird sie schließlich für die Wendung im großen Krieg des letzten Zeitalters verantwortlich gemacht und hat dereinst ihren letzten Hochkönig in den Abgrund gestürzt. Darüber hinaus ist sie für den Wolfsfluch verantwortlich und wird von den davon betroffenen Grim gefürchtet. Auch wurden die Alp, einst in Ungnade gefallene Mondgeister, mit dem Vampyrismus verflucht, bevor sie verstoßen wurden.

Viele Mondhexer und -hexen streifen heimatlos durch die Nordlande, während andere die Jäger ihrer Stämme anführen und vor allem in kargen Winterlandschaften mithilfe ihrer Jagdzauber die ihren zu ernähren helfen. Mit der Bluthexerei vertraut können Vaterschaften nachgewiesen, Schwangerschaften kontrolliert und Geschlecht wie Anzahl zu erwartender Kinder vorhergesagt werden. Weiterhin wissen sie Blutbande zu knüpfen und Sippen unter den Schutz der Jagdgottheiten zu stellen. Mit der Mondkunde vertraut wissen Hexer um die Jahreszeiten, Tier- und Fischwanderungen, Ebbe und Flut, aber auch mit dem kultischen Mondkalender Finsternisse vorherzusagen und an Mondtempeln das wechselhafte Klima der kommenden Jahre zu erkennen. Zumal die weiße Jägerin als Wintergottheit gilt, wird sie für strenge Kälteperioden von bis zu 200 Jahren verantwortlich gemacht und zu dieser Zeit besonders angerufen oder samt ihrer Hexer verdammt. Mit albischen Begräbnisliedern rufen sie die Mondgeister ihrer Göttin an die Seelen verstorbener ins Geisterlicht zu führen und können mit dem Totenorakel zurückgebliebene Ahnengeister besänftigen oder ihnen helfen, sowie mit als Schutzgeister gebliebenen kommunizieren. Auch die Vertreibung von Dämonengeistern und die Errichtung von Megalithbauten als Grabanlagen und Mondtempel obliegt ihnen. Mit der Wundheilung, der Ahnenheilkunde durch Besänftigung, der Dämonenheilkunde durch Vertreibung und den Fruchtbarkeitsriten zur Schwangerschaftsbegleitung gelten Mondhexer als heilkundig. Zuletzt erfahren solche, mit denen die weiße Jägerin ihr göttliches Blut zum Bunde teilte, Metamorphosen, welche sie stärken und zu Heroen und Heroinen erheben, die Heldentaten vollführen und deren Gräber mit Opfergaben und Gebeten geehrt werden, auf dass sie nach ihrem Ableben in der Welt verbleiben und als ewige Jäger an Seite der Jagdgottheiten und als Schutzgeister ihrer Grabstätten und deren Anwohner die Lebenden vor Dämonengeistern zu schützen vermögen.

Im Dienste der weißen Jägerin gilt es ihre Gunst zu erhalten, indem der Wille Leib und Umwelt zu trotzen beweist und oft an den Rande des Erschöpfungstodes treibt. Vor der Göttin und, wichtiger noch, sich selbst gilt es gegen Widrigkeiten zu bestehen und als Schwäche, wenn man ihretwegen von seinen Zielen abweicht.
    Ein Schlag, vom Herzen, hat den Körper erfüllt.
    Anspannung, dann wieder, lauter, stärker pocht es in den Gliedern.
    Das Blut spendet Kraft, treibt zur Tat, bebt, schmerzt, brennt. Es prüft.
    Der Wille den Elementen zu widerstehen, den Körper trotz Qual zu zwingen,
    sich und alle Widrigkeiten zu überwinden, ihnen zum Trotz, der Jägerin zur Ehr'.
    Wird er stark genug sein? Ist er es nicht, wird der Körper erstarren, versagen,
    werden Jämmerlichkeit und Leid obsiegen, wird die Seelengeißel mit Verachtung strafen,
    wird ihre Gunst verwirkt, der Platz unter ihren ewigen Jägern verwehrt,
    verblasst ihr Blut in den Adern und entschwindet mit ihm alle Göttlichkeit aus diesem sterblich Kind.
Mit dem Kult der weißen Jägerin werden auch die Jagdgottheiten geehrt. In den Vollmondnächten kommen sie, die großen Winterwölfe, zur wilden Jagd von den Bergen herab und bereisen die Lande, meist fern aller sterblich' Sieldungen. In Furcht bangen diese vor ihnen, denn sie herauszufordern bedeutet ihnen den Tod. Einzig, dass die großen Tiere im Dienst der Jägerin stehen, hindert sie daran die Sterblichen, von denen sie nicht viel halten, zu fressen wann immer ihnen beliebt. Selbst Hexer und Heroen knien nieder und neigen dann ihr Haupt, bis der große Wolf, oft knurrend mit jedem Atemzug, vorüberzieht. Erst wenn eine der grimmigen Jagdgottheiten das göttliche Blut beschnuppert und erkennt, so darf das Hexenwesen sie noch immer nicht ansprechen oder berühren, aber nunmehr furchtlos unter ihnen wandern, wo andere Sterbliche verharren müssen.
Zu selten jedoch werden sie gesehen, gerade genug, dass sich viele Sterbliche vor ihnen und der Jägerin fürchten, doch nicht, um sich auch nur jährlich ihrer Prüfung zu unterziehen, denn meist umgehen sie alle Sterblichen und deren Siedlungen. Öfter jedoch findet man sie, sobald das göttlich Blut einmal ward erkannt.

Totengeister von in der Erde bestatteten wandeln zunächst in der Anderswelt. Sodenn ihre Name nicht vergessen ward, sei es in Erinnerung oder niedergeschrieben, können sie von Mondgeistern aufgefunden, in die Lüfte gehoben und durch die Mondpforte in die Geisterwelt geleitet werden, ins Geisterlicht der ewigen Seligkeit. Aus Zorn oder um Aufgaben zu erfüllen können die Totengeister auch in der Anderswelt verbleiben und müssen zunächst womöglich besänftigt werden.

Heroen und Mondhexer können nach ihrem Ableben auch zur ewigen Jagd im Dienst der Seelengeißel in der Anderswelt verbleiben. An Seite der Jagdgottheiten jagen und bekämpfen sie schadbringende Dämonengeister, um diese in die Schattenwelt zu verbannen. Hat man ihnen Heroengrabstätten errichtet, gedenkt ihres Namens und bringt Opfergaben, sind sie zudem Schutzgeister ihrer Totenstätten und der Opfer bringenden Ansiedlung. Sie können zu ihren Grabstätten gerufen werden und helfen bezeiten Hexern, sodenn sie es vermögen. Gefragt, ob sie hierzu bereit sind, wird, sollte dem so sein, anstatt ihrer ihr Name in die Halle der Mondgeister getragen, wo er nie vergessen wird.

Wenige Hexer erfahren die Naturgeistwerdung und werden zu den Engeln der Jägerin, den heiligen Mondgeistern erhoben. Mondgeister sind schneebleiche Naturgeister von albenschöner Gestalt. Ihre Erscheinung, meist von schimmernden Nordlichtern umspielt, kann vor allem im Mondlicht, und wenn mit dem Vollmond die Barriere zwischen der Dies- und der Geisterwelt am schwächsten ist, auch von Sterblichen vernommen werden, wobei dies recht selten geschieht. In seidenweißem Gewand kommen sie auf mächtigen hellen Dämonenschwingen durch die Mondpforte in die Traum- und die Dieswelt, fliegen im Glanz der Polarlichter über den Himmel und suchen nach den Seelengeistern der Verstorbenen, um sie in die Geisterwelt zu geleiten, bevor Dämonen ihrer habhaft werden können. Manchmal verbergen sie ihre astralen Flügel und treten in ihrer albenhaften Gestalt in Erscheinung, um mit den Geistern der Verstorbenen zu sprechen und manchmal treffen sie auch auf die Jagdgötter und die ewigen Jäger und ziehen mit ihnen, mächtige Lanzen führend, gegen die Dämonen, sodenn dies erforderlich ist, um einen Totengeist aus deren Fängen zu befreien. In der Geisterwelt heimisch steht darin ihre große Halle, von der aus sie über die große Pforte zur Traumwelt wachen, die einem Schiff gleich endlos den Himmel bereist und sich stets verschließt, um sich stets von neuem zu erwecken. Mondgeister sind bislang die einzigen Wesen, die je aus der Geisterwelt zurückgekehrt sind.

In Erschöpfung und Versagen fürchten die Anhänger der Jägerin von ihr geprüft zu werden, auf dass sie bis an ihre Grenzen gehen und alles tun, was in ihrer Macht steht. Wenn die Lungen brennend Blut speien und das Herz erbebt, wenn die Muskeln vor Schmerz erlahmen und die Glieder taub werden, dann sehen sie im Angesichte ihrer Ohnmacht ihre Göttin und beantworten sich abermals, ob sie alles taten, was sie konnten.

Zur Jägerweihe junger Kinder erscheint sie, um ihr göttlich Blut mit ihnen zu teilen und sie in ihrem Kulte aufzunehmen, einen Platz unter den ewigen Jägern verheißend.

Zur wilden Jagd in Vollmondnächten und den Sonnenwenden ist sie manchmal zu sehen, wie sie die Welt bereist mit ihren Wölfen, zur Sonnenfinsternis zeigt sie sich auch tagsüber auf der Welt. Vergeht der Mond jedoch in Finsternis oder Neumond, so ist auch sie weit fort.

Und zur Blutmondnacht ist man ihrer gewahr, wenn der Mond sich rot färbt von vergossenem Blute einer großen Schlacht und es dem Lichte ihrer Augen gleich tut. Großen Triumph oder große Verbitterung erlebt die Jägerin zu dieser Stund' und nur wenige Bluthexer wissen, wie ihre Herrin hieran empfand.

Zum Neumond jedoch ist die Jägerin blind und so erfahren auch viele Mondhexer zu dieser Zeit Abweisung anstelle der Gastfreundschaft.

Nach dem Mondlauf ausgerichtet stehen große Steinhügelgräber, Menhire, Dolmen und als Mondtempel bekannte Megalithbauten in den Landen, auf dass vor allem mit den mächtigen Mondtempeln die großen Wendezyklen verfolgt und das künftige Klima vorhergesagt werden kann.

Wenn die großen Winterdrachen aus ihrem Schlaf erwachen und die Welt unter Schnee und Eis begraben, wird die Mondpforte auf ein letztes mal endgültig versiegelt. Und während die acht Welten vernichtet werden, wird die Geisterwelt fortfahren in neue Gefilde um die Seelen vor dem Untergang zu erretten und in der Ferne neu zu erblühen.

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